Beobachtung laut Luhmann:
- Grundidee: Beobachten bedeutet, dass wir Unterschiede machen. Zum Beispiel unterscheiden wir zwischen:
- System und Umwelt: Ein System könnte eine Schule sein, die Umwelt ist alles außerhalb der Schule.
- Zeichen und Bezeichnetes: Ein Wort (Zeichen) und das, was es bedeutet (Bezeichnetes).
- Medium und Form: Ein Blatt Papier (Medium) und der Text darauf (Form).
- Was ist ein System?
- Definition: Ein System ist eine Einheit, die sich durch spezifische Operationen und Handlungen definiert. Es grenzt sich von seiner Umwelt ab und besteht aus Elementen, die in einer bestimmten Ordnung und Abfolge miteinander verbunden sind.
- Beispiel: Eine Schule ist ein System. Sie besteht aus Lehrern, Schülern, Unterrichtsstunden und Regeln. Die Schule unterscheidet sich von ihrer Umwelt (Eltern, Schulgebäude, Gesellschaft).
- Operationen im System: In der Schule finden spezifische Operationen statt, wie Unterricht geben, Hausaufgaben machen und Prüfungen schreiben. Diese Operationen bilden Sequenzen und strukturieren das System.
- Der Beobachter: Ein Beobachter ist Teil eines Systems. Systeme entstehen, wenn Handlungen in einer bestimmten Reihenfolge stattfinden. Der Beobachter ist in der Realität, nicht darüber.
- Asymmetrie: Beim Beobachten gibt es immer eine ungleiche Beziehung. Wir brauchen zwei Seiten (z.B. System und Umwelt), aber sie können nicht gleichzeitig präsent sein. Wenn beide gleichzeitig da wären, gäbe es keinen Unterschied mehr.
- Beispiel: Wenn du im Park bist, kannst du jemanden entweder als Jogger oder als Spaziergänger sehen, aber nicht beides gleichzeitig. Du kannst nicht gleichzeitig darüber nachdenken, was der Unterschied zwischen Joggen und Spazieren ist.
- Beobachtung 1. Ordnung: Du beobachtest direkt. Du bist der Beobachter 1. Ordnung, wenn du direkt Menschen im Park beobachtest, wie sie joggen oder spazieren.
- Beobachtung 2. Ordnung: Du beobachtest, wie andere beobachten. Zum Beispiel, wie ein Vater beobachtet, wie seine Kinder im Park joggen oder spazieren.
- Beobachtung 3. Ordnung: Du beobachtest, wie jemand anders die Beobachtungen zweiter Ordnung macht. Zum Beispiel, wie ein Sozialforscher beobachtet, wie der Vater seine Kinder beim Joggen oder Spazieren beobachtet.
Eine einfache Methode zur Beobachtung:
- Ziel definieren: Überlege dir, was du beobachten möchtest. Zum Beispiel, wie Menschen in einem Park interagieren.
- Unterscheidung festlegen: Bestimme, welche Unterschiede du machen willst. Zum Beispiel:
- Erwachsene und Kinder
- Aktivitäten wie Joggen und Spazieren
- Beobachten und Notieren: Schau dir die Situation an und mach Notizen zu den Unterschieden, die du siehst. Konzentriere dich nur auf eine Seite der Unterscheidung. Hier bist du der Beobachter 1. Ordnung.
- Reflexion: Überlege, was du beobachtet hast. Welche Muster oder Verhaltensweisen sind dir aufgefallen? Wie hat die Unterscheidung deine Beobachtungen beeinflusst?
- Beobachtung 2. Ordnung: Beobachte, wie andere Menschen die gleiche Situation beobachten. Zum Beispiel, wie ein Vater seine Kinder im Park beobachtet, während sie joggen oder spazieren. Welche Unterschiede macht er? Wie beeinflusst das sein Verhalten?
- Beobachtung 3. Ordnung: Beobachte, wie jemand anders diese Beobachtungen zweiter Ordnung macht. Zum Beispiel, wie ein Sozialforscher beobachtet, wie der Vater seine Kinder beim Joggen oder Spazieren beobachtet. Welche Unterschiede macht der Forscher und wie beeinflusst das seine Beobachtungen?
Mit dieser Methode kannst du lernen, wie unsere Art zu beobachten und die von uns gemachten Unterscheidungen unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Welt formen.
Quelle: Niklas Luhmann, „Soziale Systeme: Grundriss einer allgemeinen Theorie“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1984.
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